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1. Korinther 15,50-58 | Ostermontag | 01.04.2024

Einführung in den 1. Korintherbrief

1 Kor ist, verglichen mit den anderen paulinischen Briefen (ausgenommen Röm) und insbesondere auch im Vergleich mit antiken Privatbriefen, ungewöhnlich umfangreich. Die paulinische Verfasserschaft wird im Allgemeinen nicht in Frage gestellt, die neuere Exegese kommt ganz überwiegend zu dem Ergebnis, dass 1 Kor literarisch einheitlich ist.

1. Verfasser

Über Denken und Wirken des Paulus, die uns historisch am besten bekannte Gestalt des frühen Urchristentums, informieren die sieben allgemein als authentisch angesehenen neutestamentlichen Briefe. Eine wichtige Quelle für die paulinische Biographie ist darüber hinaus die Apostelgeschichte des Lukas, auch wenn deren historische Verlässlichkeit nicht immer gegeben ist. In ihrer Darstellung des ersten Aufenthalts des Paulus in Korinth wird der römische Statthalter Gallio erwähnt (Apg 18,12), dessen Amtszeit laut einer in Delphi gefundenen Inschrift auf das Jahr 50/51 oder 51/52 zu datieren ist. Demnach war Paulus also in den frühen 50er Jahren in Korinth. Er schrieb dann mehrere Briefe nach Korinth, einen in 1 Kor 5,9 erwähnten, nicht erhaltenen Brief sowie einige kürzere, später als „2 Kor“ vermutlich redaktionell zusammengestellte Briefe.

2. Adressaten

Aus der Provinz Asia kommend war Paulus in Philippi und Thessaloniki. Nach kurzem Aufenthalt in Athen (Apg 17,15-18,1) kam er nach Korinth, wo er Aquila und Priska traf, die aufgrund des Claudius-Edikts aus Rom nach Korinth gekommen waren. Sie waren offenbar (Juden-)Christen, aber eine Gemeinde von Christusgläubigen gab es in Korinth noch nicht. Die Gemeinde entstand nach Darstellung der Apg im Umfeld der Synagoge (18,4-11). Aus 1 Kor geht hervor, dass zu den korinthischen Christusgläubigen auch Juden gehörten (7,18), aber die Gemeinde lebte im Gegenüber nicht nur zu „Heiden“ (Griechen), sondern auch zu Juden (10,32). Die Briefkorrespondenz zeigt, dass die korinthische Gemeinde für Paulus besonders wichtig war; in den Briefen nach Korinth nimmt er, anders als etwa im Gal, zu den aktuellen innergemeindlichen Problemen in einer Weise Stellung, als gehöre er selbst zu ihr.

3. Entstehungsort

1 Kor wurde in Ephesus geschrieben. Die in 15,32 (vgl. 2 Kor 1,8) erwähnte lebensbedrohliche Situation, die möglicherweise mit den in Apg 19,23-40 geschilderten dramatischen Ereignissen in Verbindung stand, war offensichtlich überwunden, denn Paulus kündigt in 16,6-8 an, er wolle „bis Pfingsten“ in Ephesus bleiben und erst dann wieder nach Korinth reisen. In Apg 20,31 wird von einem dreijährigen Aufenthalt in Ephesus gesprochen, könnte 1 Kor könnte also etwa vier Jahre nach dem Gründungsbesuch in Korinth verfasst worden sein, etwa im Jahre 54/55.

4. Wichtige Themen und Argumentationsgang des 1 Kor

Paulus kritisiert im Eingangsteil des 1 Kor die Existenz innergemeindlicher „Parteien“; dabei richtet er den Brief immer an die ganze Gemeinde, wobei er schon in der Adresse (1,2) die Adressaten auf ihren „ökumenischen“ Kontext verweist (vgl. 4,17; 7,17; 11,16; 14,33). Die Konflikte in Korinth sind offenbar „hausgemacht“; dass „von außen“ gekommene fremde Missionare („Gegner“) aktiv geworden wären, ist im 1 Kor – anders als dann vor allem in 2 Kor 10-13 – nicht zu erkennen.

1 Kor ist durchgängig bestimmt durch die Reaktionen auf die akute Lage in Korinth; kein anderer Paulusbrief informiert (uns) so detailliert über die bei den Adressaten bestehende Situation. Paulus hatte durch „die (Leute) der Chloe“ (1,11; leider erfahren wir nichts Näheres über sie) wie auch durch Stephanas und dessen Begleiter (16,17f.) sowie durch mündliche Nachrichten (5,1) und durch den in 7,1 erwähnten korinthischen Brief von den Problemen in Korinth erfahren und sah sich zu einer umfassenden Reaktion herausgefordert, wobei der Brief einen persönlichen Besuch vorläufig ersetzen soll (16,5–9; vgl. 11,34).

Aus 1,12 geht hervor, dass es Gruppen („Parteien“) gab, die sich an bestimmten Führern orientierten (1,12); Ursache könnte ein ausgeprägtes Interesse an „Weisheit“ gewesen sein, die Suche nach spekulativer religiöser Erkenntnis (1,17; 1,18ff.). Welche Vorstellungen die einzelnen Gruppen vertraten, ist für uns nicht erkennbar; Paulus geht nicht auf Einzelheiten ein, sondern lehnt die  Existenz von Parteien ab. Er wertet die soziale Zusammensetzung der Gemeinde als Indiz dafür, dass Gott den Maßstäben menschlicher Weisheit widerspricht (1,18-31) Möglicherweise gab es in Korinth einen religiösen Enthusiasmus (vgl. 4,8), der sich in Schlagworten wie „Alles ist erlaubt“ oder „Wir alle haben Erkenntnis“ niederschlug (vgl. 6,12; 8,1; 10,23). Paulus betont dagegen die Theologie des Kreuzes: Die Existenz der Christusgläubigen ist dadurch bestimmt, dass ihr Herr sich am Kreuz, d.h. in Niedrigkeit, und nicht in Glorie offenbart hat.

In 5,1–7,40 nimmt Paulus zu aktuellen moralischen Problemen Stellung. Ein Mann, der „die Frau seines Vaters hat“, muss aus der Gemeinde ausgeschlossen werden (5,1-13), angesichts von Konflikten um Vermögensfragen (6,1–6) schlägt Paulus die Bildung einer innergemeindlichen Zivilgerichtsbarkeit vor, betont aber, dass der Verzicht auf die Durchsetzung von Rechtsansprüchen das eigentlich Angemessene wäre (6,7-11). In diesem Zusammenhang wird betont, dass der Christ auch körperlich seinem Herrn gehört – offenbar gab es einen religiös motivierten „Libertinismus“ ebenso wie umgekehrt die Forderung nach strikter Askese (6,12-20; vgl. 7,1). Aus 1 Kor 7 geht hervor, dass die Frage der Ehe und insbesondere der „Mischehen“ in Korinth umstritten war.

In Kap. 8-11 erörtert Paulus die Tatsache, dass korinthische Christusgläubige an Mahlzeiten teilnehmen, die auch kultischen Charakter haben können. Paulus betont die Freiheit zum Essen des „Götzenopferfleisches“ (8,1ff.), doch gebe es diese nicht abstrakt, sondern nur konkret in der Gemeinschaft der Glaubenden. Der Verzehr von Opferfleisch ist nicht wegen einer womöglich kultischen Qualität des Fleisches verboten, aber der Verzicht ist geboten aus Rücksicht auf andere, die tatsächlich Anstoß nehmen. Eine unmittelbare Teilnahme am Opferkult („Tisch der Dämonen“) ist unvereinbar mit der Teilhabe am „Tisch des Herrn“ (10,14-22).

Da es offenbar Tendenzen gab, die üblichen Konventionen im Verhältnis von Männern und Frauen zu verwischen, fordert Paulus, Frauen sollten die übliche Haartracht tragen, wenn sie im Gottesdienst predigen und beten (11,2-16; das dazu im Widerspruch stehende rigorose „Sprechverbot“ in 14,34.35 ist sehr wahrscheinlich eine später eingefügte Interpolation). Zur Mahlfeier erfuhr Paulus von Verhaltensweisen, die es aus seiner Sicht „unmöglich“ machten, das „Herrenmahl“ zu feiern, da jeder „sein eigenes Mahl“ vorwegnimmt (11,17-34). Da aber in diesem Mahl der Tod des Herrn verkündigt wird „bis er kommt“, ist ein individualistischer Missbrauch der Mahlfeier verwerflich.

Das Pneumatikertum ist in Korinth stark entwickelt (1 Kor 12-14). Paulus betont deshalb das Zusammenwirken aller „Glieder“ innerhalb des „Leibes“, in dem es keinerlei Hierarchie gibt; dann bezeichnet er abschließend die Gemeinde ganz betont als „Leib Christi“ (12,27). In 13,1-13 beschreibt er die Liebe als kritischen Maßstab für alles Handeln; dieser Text ist kein „Lied“, sondern bezieht sich durchgängig auf die Gemeindesituation. Paulus schreibt nicht, dass es der korinthischen Gemeinde an Liebe mangelt, aber er betont, dass die Liebe höherwertig ist als alle „Geistesgaben“ und alle „Erkenntnis“. In Kap. 14 zum „Zungenreden“ fordert er, die geistgewirkte Ekstase müsse danach beurteilt werden, was sie zum Aufbau der Gemeinde beiträgt; dann verliere die Ekstase ihren besonderen Wert, und zugleich erweise sich jede Leistung für die Gemeinde als eine Wirkung des Geistes. Auch in Kap. 15 wird die Gemeindesituation sichtbar: Einige sagen „Es gibt keine Auferstehung der Toten“ (V. 12), andere hingegen lassen sich sogar „für die Toten“ taufen, um ihnen Anteil an der Auferstehung zu geben (V. 29). Dagegen argumentiert Paulus vom Bekenntnis her (V. 1-11): Aus dem Glauben an Jesu Auferstehung folgt die Hoffnung auf die noch in der Zukunft liegende Auferstehung der Toten (V. 20). Die Frage, auf welche Weise die Toten auferstehen werden, ist töricht (V. 35), denn die Erfahrung lehrt doch, dass der gesäte Same zuerst „stirbt“ und dass Gott ihm dann einen neuen Leib gibt (V. 35-41); in der Auferstehung der Toten wird Gott ebenso handeln (V. 42-49). Am Ende offenbart Paulus ein „Geheimnis“: Es werden alle – die Toten und die bei der Parusie Lebenden – verwandelt werden, und erst dann wird der Tod besiegt sein (V. 50-55). Gegenwärtig aber wird die Macht des Todes erfahren in Form der durch das Gesetz wirksamen Sünde (V. 56). Am Ende (16,1-24) stehen organisatorische Anweisungen zur Sammlung der Kollekte für Jerusalem, sodann eine Besuchsankündigung sowie Grüße.

5. Besonderheiten

Der Argumentationsgang des Paulus im 1 Kor lässt eine innere Kohärenz erkennen: Es gibt eine christologische, kreuzestheologische Grundlage für die Aussagen zu den unterschiedlichen Themen. Schwer zu beantworten ist die Frage nach dem religiösen bzw. philosophischen Hintergrund der korinthischen Parteienbildung; die Annahme, hier zeige sich eine frühe Form christlicher „Gnosis“, wird im Allgemeinen verneint, aber „weisheitliche“ Tendenzen sind deutlich erkennbar (1,18-31; 2,1-16). Kontrovers diskutiert wird die Frage, welche Vorstellung hinter der in Korinth ausgesprochenen Ablehnung der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten (1 Kor 15,12) steht: Möglich ist, dass die Erwartung der Auferstehung als „unvernünftig“ angesehen wird; die in 15,12 zitierte Aussage könnte aber im Gegenteil auch „enthusiastisch“ gemeint gewesen sein in dem Sinne, die Glaubenden seien „bereits auferstanden“ (vgl. 2 Tim 2,18).

Literatur:

  • Hans Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther (KEK V), Göttingen 21981.
  • Eva Ebel, Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden. Die Gemeinde von Korinth im Spiegel griechisch-römíscher Vereine (WUNT II/178), Tübingen 2004.
  • Andreas Lindemann, Der Erste Korintherbrief (HNT 9/I), Tübingen 2000.
  • Margaret M. Mitchell, Art. Korintherbriefe, RGG4 Band 4, Tübingen 2001, Sp. 1688–1694.
  • Dieter Zeller, Der erste Brief an die Korinther (KEK V), Göttingen 2009.

A) Exegese kompakt: 1. Korinther 15,50-58

50Τοῦτο δέ φημι, ἀδελφοί, ὅτι σὰρξ καὶ αἷμα βασιλείαν θεοῦ κληρονομῆσαι οὐ δύναται οὐδὲ ἡ φθορὰ τὴν ἀφθαρσίαν κληρονομεῖ. 51ἰδοὺ μυστήριον ὑμῖν λέγω· πάντες οὐ κοιμηθησόμεθα, πάντες δὲ ἀλλαγησόμεθα, 52ἐν ἀτόμῳ, ἐν ῥιπῇ ὀφθαλμοῦ, ἐν τῇ ἐσχάτῃ σάλπιγγι· σαλπίσει γὰρ καὶ οἱ νεκροὶ ἐγερθήσονται ἄφθαρτοι καὶ ἡμεῖς ἀλλαγησόμεθα. 53Δεῖ γὰρ τὸ φθαρτὸν τοῦτο ἐνδύσασθαι ἀφθαρσίαν καὶ τὸ θνητὸν τοῦτο ἐνδύσασθαι ἀθανασίαν. 54ὅταν δὲ τὸ φθαρτὸν τοῦτο ἐνδύσηται ἀφθαρσίαν καὶ τὸ θνητὸν τοῦτο ἐνδύσηται ἀθανασίαν, τότε γενήσεται ὁ λόγος ὁ γεγραμμένος·

κατεπόθη ὁ θάνατος εἰς νῖκος.

55ποῦ σου, θάνατε, τὸ νῖκος;

ποῦ σου, θάνατε, τὸ κέντρον;

56τὸ δὲ κέντρον τοῦ θανάτου ἡ ἁμαρτία, ἡ δὲ δύναμις τῆς ἁμαρτίας ὁ νόμος· 57τῷ δὲ θεῷ χάρις τῷ διδόντι ἡμῖν τὸ νῖκος διὰ τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ. 58Ὥστε, ἀδελφοί μου ἀγαπητοί, ἑδραῖοι γίνεσθε, ἀμετακίνητοι, περισσεύοντες ἐν τῷ ἔργῳ τοῦ κυρίου πάντοτε, εἰδότες ὅτι ὁ κόπος ὑμῶν οὐκ ἔστιν κενὸς ἐν κυρίῳ.

1. Korinther 15:50-58NA28Bibelstelle anzeigen

Übersetzung

50 Das aber sage ich, Brüder: Fleisch und Blut vermag das Reich Gottes nicht zu erben, auch erbt das Verwesliche nicht die Unverweslichkeit.

51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;

52 und das im Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Trompete; denn es wird die Trompete erschallen und die Toten werden auferstehen als Unverwesliche, und wir werden verwandelt werden.

53 Denn dieses Verwesliche muss anziehen Unverweslichkeit, und dieses Sterbliche muss anziehen Unsterblichkeit.

54 Wenn aber dieses Verwesliche anziehen wird Unverweslichkeit und dieses Sterbliche anziehen wird Unsterblichkeit, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg.

55 Wo ist, Tod, dein Sieg? Wo ist, Tod, dein Stachel?“

56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Macht aber der Sünde ist das Gesetz.

57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!

58 Darum, meine geliebten Brüder, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn allenthalben, wissend, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn

1. Fragen und Hilfen zur Übersetzung

V. 50.57: Das pluralische ἀδελφοί, zumal in der brieflichen Anrede, ist generisches Maskulinum und bezieht sich auf Frauen und Männer in der Gemeinde (in 1 Kor 7,15; 9,5 differenziert Paulus aus sachlichen Gründen).

V. 52: σάλπιγξ ist nicht die Posaune, sondern die (Signal-)Trompete (vgl. 14,8)

2. Kontext

Das umfangreiche Kap. 15 beginnt im Anschluss an 14,40 übergangslos: Paulus erinnert die Adressaten daran, dass sie die von ihm verkündigte Botschaft (τὸ εὐαγγέλιον) von Tod und Auferstehung Christi (15,3b-5) im Glauben angenommen haben. Angesichts dessen ist es ihm unverständlich, dass „einige“ in Korinth sagen, eine Auferstehung der Toten gebe es nicht (V. 12). Paulus verweist auf den Widerspruch dieser These zu dem anerkannten Bekenntnis (V. 12–19), dazu entwirft er eine Skizze des Endzeitgeschehens (V. 20–28). Nach einigen „aktuellen“ Zwischenüberlegungen (V. 29–34) nennt er in V. 35 einen fiktiven Gesprächspartner, der die Frage stellen könnte: „Wie werden die Toten auferstehen, in welchem Leib kommen sie?“ So zu fragen sei närrisch, denn es gelte doch die Erfahrung: „Was du säst wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt“ (V. 36). Unter Verwendung unterschiedlicher Bilder erklärt Paulus eindringlich, dass bei der Auferstehung der Toten alle Menschen von Gott einen neuen Leib erhalten werden (V. 37-49).

3. Schwerpunkte der Interpretation

Diesen Argumentationgang fasst Paulus in V. 50 zusammen, indem er sehr betont schreibt (τοῦτο δέ φημι, ἀδελφοί): Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, und das Vergängliche erbt nicht die Unvergänglichkeit. Dieser Satz, beinahe eine Antwort auf V. 35, bereitete der Alten Kirche, zumal angesichts der in der Auseinandersetzung mit der Gnosis im Bekenntnis explizit ausgesprochenen Erwartung der resurrectio carnis, erhebliche Probleme; die gegenwärtig gültige Formulierung „Auferstehung der Toten“ entspricht der paulinischen Position.

In V. 51 offenbart Paulus den Adressaten ein Geheimnis (μυστήριον, mysterium); daraus geht indirekt hervor, dass er dieses Ereignis als nahe bevorstehend ansieht, aber er sagt nichts über den verbleibenden Zeitraum  (ähnlich das „Naherwartungs-Logion“ in Mk 9,1). Dann werden alle Menschen „verwandelt“ werden, entsprechend dem in V. 35-49 Gesagten.

In V. 52a betont Paulus, dass die Verwandlung nicht prozesshaft geschieht, sondern „in einem Augenblick“; das Bild von der „letzten Trompete“ könnte auf mehrere Trompetenstöße verweisen, aber es wird nicht anders als in 1 Thess 4,16 nur ein Signalton erwartet.

Aus V. 52b geht hervor, dass die Auferweckung der Toten und die Verwandlung der Lebenden gleichzeitig geschehen.

In V. 53 betont Paulus, dass dies geschehen muss (δεῖ verweist auf Gottes Entscheidung), er wiederholt das nahezu wörtlich in V. 54a. Das Bild vom „Anziehen der Unsterblichkeit“ bezeichnet nicht ein „Überkleidet-Werden“, sondern einen Wechsel der Identität. Dann (τότε) wird die in der Schrift verheißene Niederlage des Todes verwirklicht sein (V. 54b.55).

V. 54b erinnert an Jes 25,8 aus der „Jesaja-Apokalypse“ (Jes 25,8 nach einem nicht sicher überlieferten Wortlaut), V. 55 erinnert an Hos 13,14 LXX; es scheint, als habe Paulus beide Aussagen derselben biblischen Vorlage zugeschrieben und dabei nur den apokalyptischen Aspekt übernommen, dass der Tod ein Ende haben wird. Sollte die in 15,12 zitierte korinthische These mit dem Gedanken verbunden gewesen sein, die Auferstehung sei „bereits geschehen“ (vgl. 2Tim 2,18), so läge hier die Antwort des Paulus vor: Der Tod wird erst am Ende aller Zeit besiegt werden (vgl. 15,26).

In V. 56 gibt Paulus dazu einen auf die Gegenwart bezogenen exegetischen Kommentar: Gegenwärtig übt der Tod seine Macht aus durch die Sünde, die den Menschen von Gott trennt (vgl. Röm 6,23), die Sünde ihrerseits gewinnt ihre Macht aus dem Gesetz, das dem Menschen fälschlich das Leben verheißt (vgl. Röm 7,7–13). Von der Beziehung der Sünde zum Gesetz ist im 1 Kor sonst nicht die Rede; es wird deshalb gelegentlich erwogen, V. 56 sei eine später eingefügte „Glosse“; aber es ist nicht ungewöhnlich, dass Paulus von ihm zitierte Schriftworte im Sinne seiner Theologie auslegt.

Nach einem christologisch vermittelten Dank an Gott (V. 57) leitet Paulus in V. 58 aus seiner Argumentation einen paränetischen Schlussgedanken ab, der die Gegenwart der Adressaten bestimmen soll. Die endzeitliche Zukunftshoffnung hat konkrete Folgen für das gegenwärtige Leben.

B) Praktisch-theologische Resonanzen

1. Persönliche Resonanzen

Es geht um die Behauptung einer starken These (bzw. um den Widerspruch gegenüber denen, die sie verneinen): Die Toten werden auferstehen, Der Predigttext und sein größerer Zusammenhang, das überlange Kapitel 1 Kor 15, sind nur unter dieser Prämisse richtig verständlich.

Die Art und Weise der Auferstehung ist dabei als Disruption gedacht – die Wirklichkeit Gottes bringt einen neuen Leib mit sich; einen Identitätswechsel. Dabei soll auch der Tod, die stärkste Herausforderung der menschlichen Existenz, vernichtet werden. Paulus schließt hier an den Gedanken der alttestamentlichen Prophetie an, dass die Todeserfahrung angesichts von Gottes Macht irgendwo ein Ende finden muss. Dabei sagt Paulus nichts über den genauen Zeitpunkt, zu dem die Auferstehung bzw. die Verwandlung der toten und lebenden Menschen zu erwarten ist.

Die Hoffnung auf Auferstehung hat konkrete Folgen für die Art und Weise christlichen Lebens in dieser Welt.

2. Theologische Aktualisierung

Der Text steht im Zusammenhang einer Argumentation, die sich gegen die Leugnung der Auferstehung wendet (V. 12). Sein Ziel ist, die Zuhörenden darin zu bestärken, dass sie am Bekenntnis „festhalten“. Christinnen und Christen sollen und können sich durch Beharrlichkeit und Frustrationstoleranz auszeichnen. Dies ist die ethische Grundbotschaft.

Der inhaltliche Kern der Glaubensüberzeugung, die in der Predigt zu entfalten ist, ist anspruchsvoll. Wie gelingt es der Predigerin bzw. dem Prediger, nachvollziehbare Bilder von „Auferstehung“ zu finden? Paulus selbst zeigt skizzenhaft, wie Auferstehung vorstellbar sein kann (1Kor 15, 20-28). Doch ist klar, dass die Wirklichkeit der Auferstehung trotzdem kaum aussagefähig wird. Menschliche Imagination findet eine Grenze daran, wie der „neue Leib“ (1Kor 15, 37-49) aussieht und wie er sich anfühlt. Für Predigende besteht die Herausforderung wohl zuallererst darin, die Sehnsucht nach einem solchen neuen Leib plausibel zu machen.

Noch weniger wird die Predigt davon ausgehen können, dass Zuhörende mit dem Gedanken der (laut Paulus nah bevorstehenden) „Verwandlung“ etwas anfangen können. Das Bild des „Anziehens“ ist eher irreführend. Es geht um einen Identitätswechsel; dieser ist gleichzeitig das Ergebnis eines Kampfes auf Leben und Tod. „Sünde“ und „Gesetz“ werden hier en passant als die Kampfmittel der Todessphäre angesprochen. Die homiletische Entscheidung kann – gut nachvollziehbar – lauten, den hier eigentlich notwendigen soteriologischen Hintergrund in der Predigt nicht aufzurufen. Wichtiger sind zwei Hinweise: Menschliches Leben schließt immer auch die Erfahrung der Todeswirklichkeit ein. Jesus Christus der Auferstandene hat die Konfrontation mit dieser negativen Wirklichkeit bis ins Letzte seiner menschlichen Existenz erfahren und ausgehalten. Und: Die Hoffnung, die auf Jesu Auferstehung gründet, hat nicht nur „Folgen für das Leben“ (A. Lindemann); sie ist auch der (einzige) Weg zum Leben.

Die christliche Auferstehungshoffnung ist immer auch von Enttäuschungen und Rückschlägen begleitet. Das „Geheimnis“ der Naherwartung hat sich offenbar nicht in der Weise kundgegeben, wie Paulus das zum Zeitpunkt der Niederschrift des Briefs vorausgesehen hat. Hier ist ggf. Platz für Sachkritik am Text, die in der Predigt einen legitimen Platz haben kann. Das Trompetensignal steht symbolhaft dafür, dass die Auferstehung die Kontinuität der Lebens-zusammenhänge durchbricht. Die Vorstellung des Identitätswechsels ist eine Zumutung für die Vorstellungskraft. Andererseits ist einem aufgeklärten Bewusstsein nur schwer vermittelbar, wie eine Weiterexistenz des Menschen über die Barriere des physischen Todes hinaus zu denken ist. Unsere Hoffnung kann sich an Gottes Schöpferkraft festmachen: Sie wird ermöglichen, dass Menschen künftig in Gottes unmittelbarer Präsenz auf ganz neue Weise leben können. Im Umkehrschluss lautet die mit Ostern verbundene Hoffnung: Dann, am Ende der Zeit, werden der Tod und damit die Endlichkeit des Lebens zunichte.

3. Bezug zum Kirchenjahr

Der Ostermontag bzw. Zweite Osterfeiertag lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass Ostern weitergeht. Die Auferstehung Jesu Christi ist kein punktuelles Geschehen. Menschen brauchen Zeit und eine persönliche Beziehung zum Auferstandenen, um die Bedeutung der Auferstehung und die mit ihr verbundene Hoffnung zu verstehen. Das alte wie das neue Wochenlied (EG 100 bzw. EG 116), ebenso der Wochenpsalm (Ps 118,14-24) bringen Freude und Befreiung von der Todesangst als Folge der Auferstehung zum Ausdruck. Der Wochenspruch (Offb 1,18) stellt Jesus Christus als den endgültigen Überwinder der Todeswirklichkeit in den Mittelpunkt.

Der Predigttext 1Kor 15,50-58 ist gleichzeitig die Epistel, für regelmäßige Gottesdienstbesuchende also deutlich mit dem Ostermontag verbunden. Oft wird das Evangelium – die Emmausgeschichte (Lk 24,13-35) – allerdings den Gottesdienst dominieren. Es ist möglich, die ikonische Szene des Brotbrechens in Emmaus in der Predigt als einen Moment zu erzählen, in dem beispielhaft die wirklichkeitsdurchbrechende Kraft der Auferstehung Christi erlebbar wurde. Hieraus lassen sich womöglich weitere solche Hoffnungsszenen entwickeln, die für die Zuhörenden lebensweltlich nachvollziehbar sind.

Autoren

  • Prof. i.R. Dr. Andreas Lindemann (Einführung und Exegese)
  • Dr. Johannes Wischmeyer (Praktisch-theologische Resonanzen)

Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/500033

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