Testament Salomos

Alternative Names: Testamentum Salomonis; TestSal; Testament Salomos; Testament of Solomon

(published: Aug)

1. Inhalt

1.1. Die Erzählung

Das Testament Salomos (TestSal) erzählt die Geschichte vom Bau des Jerusalemer Tempels durch den legendären jüdischen König Salomo mit Hilfe der Dämonen:

Beim Tempelbau fällt Salomo ein junger Arbeiter positiv auf, den er darum durch Sonderzuwendungen fördert. Dennoch magert dieser stark ab, weil ihm des nachts der böse Dämon Ornias die Kräfte entsaugt. Salomo bittet daraufhin Gott um Hilfe für den jungen Arbeiter und erhält vom Erzengel Michael einen dämonenbannenden Ring. Mit diesem wird der böse Dämon Ornias gebannt (Kap. 1) und von Salomo befragt (Kap. 2); er muss ihm Beelzebul, den Dämonenfürsten, herbeibringen, der von Salomo ebenso gebannt, befragt (Kap. 3) und daraufhin gezwungen wird, Salomo alle Dämonen nacheinander herbeizubringen. Die Bannung und Befragung dieser unterschiedlichen Dämonengestalten macht den zentralen Teil der Schrift aus (Kap. 4-18); sie werden alle mit dem göttlichen Ring gesiegelt, nach ihren Namen, astralen Konstellationen und Wirkweisen befragt und dann zum Tempelbau eingeteilt.

Anschließend kommt die Königin des Südens zu Besuch, die sich von Salomos Weisheit und Tempelbau beeindruckt zeigt (Kap. 19-21). Dann lässt Salomo in Ägypten den Dämon Ephippas fangen, der ihm aus dem roten Meer Eckstein und eine Säule für den Tempel bringen muss (Kap. 22-25).

Am Ende seines Lebens wendet sich Salomo von Gott ab und, aufgrund seiner Zuneigung zu fremden Frauen, den Götzen zu. Der Geist Gottes weicht von ihm, er bereut und erzählt die vorliegende Geschichte als sein Testament (Kap. 26).

1.2. Ein Textbeispiel

Aus den zentralen Befragungskapiteln 4-18 sei Kap. 17 ausgewählt, um das exorzistische Schema deutlich zu machen; die Übersetzung folgt Rec B (Busch 215f).

1.2.1. TestSal 17, Rec B

1. Und ich befahl, dass ein weiterer Geist vor mich trete. Da kam ein Geist vor mich, der hatte menschliche Gestalt, die finster war und hatte leuchtende Augen: und in der Hand ein Langschwert. Diesen fragte ich und sprach: „Wer bist du?“

Er sagte: „Ich bin der wollüstige Geist eines Giganten, beim Gemetzel gestorben zur Zeit der Giganten.“

2. Ich sprach zu ihm: „Sage mir, was du auf der Erde bewirkst und wo du deine Wohnstätte hast.“ Er sagte mir: „Meine Wohnung ist an unzugänglichen Orten. Was ich bewirke ist folgendes: Ich setzte mich neben die vorübergehenden Menschen in den Grabstätten, und an Mitternacht nehme ich die Gestalt der Verstorbenen an, und wenn ich jemanden erwische, dann töte ich ihn mit dem Schwert.

3. Wenn ich ihn aber nicht töten kann, dann verursache ich bei ihm dämonische Besessenheit und ich mache, dass er sein eigenes Fleisch zernagt und dass der Speichel von seinem Kinn herabrinnt.“

4. Da sagte ich ihm: „Fürchte den Gott des Himmels und der Erde und sage mir, von welchem Engel du unschädlich gemacht wirst!“ Er aber sagte mir: „Der künftig von den Menschen ‚Heiland’ genannt werden wird, macht mich unschädlich; wenn einer sich dessen Machtmal auf die Stirn schreibt, wird er mich überwinden und, in Furcht versetzt, werde ich abwenden: Dies ist das Zeichen des Kreuzes.“

5. Als ich, Salomo, dies hörte, schloss ich den Dämon in der gleichen Weise wie die anderen Dämonen ein.

1.2.2. Kurzauslegung

Man beachte die einzelnen Elemente der Erzählabfolge: Das Herbeibringen des Dämon (durch Beelzebul) auf Geheiß des Königs, seine Charakterisierung (hier im Rahmen der Tradition des „Nekydaimon“, des Totendämon, vgl. den Kommentar bei Busch z.St.), die Frage nach der Schädigung, die Frage nach dem Überwinderengel (hier: deutliche Anspielung auf Christus als Überwinder des Todes; die christlichen Elemente sind in beiden Rezensionen A und B ausgestaltet) und schließlich: der Züchtigungsteil (der Dämon wird hier nicht zu einer besonderen Arbeit am Tempel eingeteilt, sondern eingesperrt).

1.3. Einordnung in die exorzistischen Pseudosalomonica

Der legendäre König Salomo ist uns in biblischer Überlieferung aus dem AT aus 2Sam 9 bis 1Kön 11 sowie aus 1Chr 1 bis 1Chr 9 bekannt. Dass er im TestSal als versierter Dämonenbezwinger dargestellt ist, wurzelt traditionsgeschichtlich in 1Kön 5,11-13: Salomo ist „weiser als alle Menschen“ und hat naturkundliches Interesse. In der weiteren Wirkungsgeschichte dieser Stelle wird die „Weisheit“ Salomos esoterisch verstanden, schon in Weish 7,20 finden wir die Liste seiner Kenntnisse um das Wissen um „die Gewalt der Geister“ erweitert. Im 1. Jh. n. Chr. fasst Flavius Josephus in bel 8,44 die esoterischen Kompetenzen so zusammen, dass es fast als „abstract“ des TestSal zu lesen ist:

„Es gab weiterhin keine Naturerscheinung, mit der Salomo nicht vertraut gewesen wäre oder die er unbeachtet übergangen hätte; er war auch in allen Dingen als Philosoph bewandert und wies eine tiefe Einsicht in die Eigentümlichkeiten der Dinge auf. Gott ermöglichte ihm auch, die Kunstfertigkeit gegen die Dämonen zu lernen (τὴν κατά τῶν δαιμόνων τέχνην), zum Nutzen und zur Heilung für die Menschen. Er stellte nämlich Sprüche (ἐπῳδάς) zusammen, mit denen man Krankheiten vertreiben konnte und hinterließ Beschwörungsformeln (τρόπους ἐξορκώσεων), mit denen diejenigen, die damit umgehen, die Dämonen austreiben, so dass sie nicht mehr zurückkehren.“

Diese esoterische Lesart der Weisheit Salomos führt ab dem 3. Jh. n. Chr. zu einer Vielzahl von exorzistischen Schriften über Salomo oder unter Salomos Namen. Beispielsweise erwähnt Origenes zu Beginn des 3. Jh. in seinem Matthäuskommentar zu Mt 26,63 (Migne PG 13, 1757) Exorzisten, die mit „von Salomo geschriebenen Beschwörungen“ arbeiten und sich dabei gelegentlich auf „nicht für geeignet erklärte Bücher“ berufen.

Das TestSal stellt in diesem Zusammenhang das umfangreichste und komplexeste Salomopseudepigraphon der erhaltenen exorzistischen Salomoliteratur dar.

1.4. Abgrenzung von den „Urteilen Salomos“

Vom „Testament Salomos“ und seinen Ausprägungen (s.u.) müssen die „Urteile Salomos“ als eigenständige Gestaltung des Salomonarrativs verstanden werden, obwohl die beiden maßgeblichen Textzeugen (vgl. die maßgebliche Edition mit Übersetzung und Kommentar bei Monferrer-Sala) „Aḥkām Sulaymān“, „Testament Salomos“ titeln, die Erzählung inhaltlich große Nähe zum TestSal aufweist und davon wohl literarisch abhängig ist (wenn auch nicht von einer der erhaltenen Ausprägungen). Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf dem Bild von Salomo als weisem Richter aus 1Kön 3,16-28. Die „Urteile Salomos“ sind eng verbunden mit der orientalischen und zumeist arabisch erhaltenen Märchen- und Unterhaltungsliteratur (vgl. die bei Graf 209f aufgezählten Zeugnisse der Geschichte vom Siegelring Salomos und der Geschichte vom Zauberschloss Salomos); die eigenständig publizierte nachantike „Legende von Salomo und Thabor“ bspw. (der Heidenkönig Thabor plant Krieg gegen Salomo, wird von diesem aber gastlich empfangen. Des nachts bemerkt er die Vielzahl von Dämonen, die am Tempel arbeiten müssen und lässt, bestürzt von Salomos Machtfülle, sein kriegerisches Vorhaben fallen; Edition des lückenhaften koptischen Textes: Crum 41f) wurde in den „Urteilen Salomos“ wörtlich aufgenommen.

2. Einleitungsfragen

2.1. Die Textüberlieferung

Die bis heute maßgebliche Edition des TestSal stammt von McCown aus dem Jahre 1922, von ihm stammt auch im Wesentlichen das unten beschriebene Textmodell. Eine Neuedition mit Berücksichtigung der seit 1922 vorliegenden Handschriften ist bislang ein Desiderat. Auf McCowns Textgrundlage wurde eine englische Übersetzung von Duling, eine deutsche von Busch erarbeitet, beide mit Berücksichtigung des textkritischen Apparates.

2.1.1. Das „Testament Salomos“, Rec A und B

Die oben unter 1.1. referierte Erzählung gibt das „Testament Salomos“ wieder, wie es uns in sechs Manuskripten vorliegt, die von McCown in zwei unterschiedliche Textausgaben (Rezensionen) unterschieden wurden:

Eine Rezension A (Rec A, drei Handschriften aus dem 15./16. Jh. n. Chr.), noch von McCown als tendenziell ursprünglich präferiert, mit einer leichten Tendenz zur Verknappung der Erzählungen, und eine Rezension B (Rec B), in McCowns Ausgabe durch drei mittelalterliche Handschriften vertreten und durch drei in die Antike zurückreichende (5. / 6. Jh.) Zeugen für TestSal 18 zu erweitern (Preisendanz, Papyrusfragment). Diese Rezension neigt zu erweiterten Ausführungen sowie zur leserorientierten Etablierung von intertextuellen Bezügen und wird in der neueren Diskussion als traditionsgeschichtlich ursprünglicher als Rec A angesehen.

2.1.2. Ein „Testament Salomos“, Rec C

Diese Schrift versteht sich lt. 13,2/4 als „andere“, konkurrierende und ursprünglichere Fassung, setzt also andere Rezensionen (wohl Rec A und B) voraus und ist als sekundär anzusprechen; in ihr wird der „plot“ der Rec A und B durch medizinisch-magisches Material angereichert. Die Erzählung geht bis Kap. 9,7 mit den Rezensionen A und B weitgehend konform, dann aber mündet sie in weitgehend neue Bereiche des Erzählkomplexes.

2.1.3. Eine Schrift „Über Salomo“

Diese Schrift (ed. Istrin 1898) vermittelt ein äußerst positives Salomobild, erzählt werden Salomos Herkunft (Bathsebaepisode), Geburt und Weisheit, dann die Unterwerfung des Dämon Ornias mit Hilfe eines Ringes sowie dessen Befragung; die Befragung und Unterwerfung aller Dämonen, die den Hauptteil des Testaments Salomos (Rec A und B) ausmacht, wird nur in drei Versen summarisch dargestellt; anschließend wird die Episode mit der Königin des Südens sowie die Unterwerfung des Dämon Ephippas und des Samael berichtet; die Schrift schließt mit einer Eloge auf den Ruhm und die Weisheit Salomos.

2.1.4. Eine „Salomodiegese“

Diese durch zwei Handschriften belegte Erzählung spannt den Bogen von Salomos Vorgeschichte (Bathsebaepisode) über den Tempelbau mit Hilfe der Dämonen, die Geschichte von Salomo und der Königin des Südens bis hin zur Tempelzerstörung durch die Babylonier, damit einhergehend die Befreiung der Dämonen und deren spätere Überwindung durch das Kreuz.

2.2. Die Datierung des Testaments Salomos

Es besteht ein weitgehender Konsens darin, dass die beiden Rezensionen A und B auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, die als älteste Textschicht des TestSal anzusprechen ist; die Frage ist, wie diese datiert werden kann, und hier wurden mehrere Vorschläge unterbreitet.

Nach Schwarz ist das TestSal als späte, mittelalterliche Ausgestaltung von antiken salomonischen Beschwörungsformeln als deren Nucleus anzusprechen; der publizistische Weg, so Schwarz, verliefe also von einer Spruchsammlung zur (späten) Erzählung. Für diese Spätdatierung ist allerdings bislang kein Forschungskonsens erkennbar, v.a. zwei Gründe sind gegen diese These anzuführen: erstens ist darauf hinzuweisen, dass der oben erwähnte indirekte Textzeuge für das TestSal, Rec A (Ms Athen Bibl. Nat. 825, 8v-12v, ed. Delatte 233-238) publizistisch genau den gegenläufigen Weg von Schwarz‘ Behauptung belegt, nämlich den von einer älteren Erzählung namens „Testament Salomos“ hin zu einer späteren Sammlung von Beschwörungsformeln. Zweitens spricht viel für die Existenz eines „Terminus ante quem“ in der Spätantike: ein „Testament Salomos“ wird im „Dialog des Timotheus mit Aquila“ aus dem 5. / 6. Jh. erwähnt, zusätzlich wird dort auf TestSal Rec. AB 26,5 angespielt. Daher muss das TestSal älter als der „Dialog des Timotheus mit Aquila“ sein. Aus diesen Gründen tendiert die Forschung dazu, das TestSal als antike bzw. spätantike Schrift anzusprechen.

In dieser Hinsicht hat Busch eine Datierung in das 4. Jh. n. Chr. und eine Verortung in das frühnachkonstantinische Jerusalem vorgeschlagen. Ausgehend von der Beobachtung, dass beide Rezensionen A und B übereinstimmend christlich sind, schloss er auf eine ebenso christliche „Grundschrift“. Weiterhin wies Busch darauf hin, dass konstituierende Elemente des „plots“ wie der zu erbauende Tempel, die Tempelsäule und vor allem der dämonenbezwingende Ring des Salomo in Pilgerberichten aus dem 4. Jh. als existierende Größen der Stadt Jerusalem und der Liturgie der konstantinische Grabeskirche belegbar sind; eine Verortung nach Jerusalem erschien daher plausibel. So sei die Grundschrift des TestSal in diesem beschriebenen Umfeld als christliche Schrift entstanden, ältere literarische Vorstufen (etwa eine jüdische „Urschrift“ des TestSal) müssen nicht angenommen werden, das Bild des dämonenbezwingenden Salomo sei durch die im 4. Jh. breit vorliegende traditionsgeschichtliche Ausprägung allein plausibel.

Einen anderen Ansatz wählte Klutz, der gleichzeitig Überlegungen zu einem literarischen Wachstum und damit zu (jüdischen) Vorstufen des TestSal anstellte: in hellenistischer Zeit sei in Ägypten ein Dialog des Königs Salomo mit den sechsunddreißig Dekanen kursiert, der heute TestSal 18 bildet. Dieser sei mit einer prosalomonischen und von astrologischem Interesse geleiteten Erzählung von Salomos Tempelbau mit Hilfe der Dämonen (in etwa TestSal 1-15) verbunden worden, so dass TestSal 1-18 etwa zwischen dem 75-175 n. Chr. vorgelegen habe. Dies sei dann später zwischen 175-225 n. Chr mit den salomonkritischen Endkapiteln versehen worden, so dass das TestSal in seiner späten, durch die Handschriften P und N repräsentierten Schicht, im 3. Jh. n. Chr. als christliches Pseudepigraphon anzusetzen sei. Nach diesem Modell liegt das TestSal im 3. Jh. vor, gleichzeitig werden ältere, jüdische Vorstufen der Erzählung angenommen.

2.3. Fragen zur Gattung

Das TestSal ist in seiner Vielschichtigkeit literarisch schwer einzuordnen, dennoch können Bezüge zu Großgattungen festgestellt werden. So suggeriert der in mehreren Handschriften des Werkes erhaltene Titel eine Leserichtung im Rahmen der Großgattung „Testamentliteratur“: Das Werk will als „Testament“ also als die „ultima verba“ des großen weisen Königs der Vorzeit gelesen sein. Inhaltlich wird dies auch durch Kap 26,8 gestützt, wo es in beiden Rezensionen A und B übereinstimmend heißt: „Darum schrieb ich dieses mein Testament...“ Der teilweise belehrende Charakter der Schrift kommt hier zum Tragen (man kann das TestSal als systematisierende Belehrung über Art und Wirksamkeit der Dämonen lesen), doch finden sich darüber hinaus wenige für die Testamentliteratur typische Elemente, wie zum Beispiel explizite Hinweise auf den nahen Tod des Verfassers, Weissagungen über die Zukunft (diese werden ab und zu durch Dämonen gegeben), auch die Sammlung der Hinterbliebenen am Sterbebett und breite Paränesen (Mahnungen) fehlen; damit liegt die Vermutung nahe, dass die Zuschreibung der Schrift als „Testament“ als sekundäres Stilmittel zu verstehen ist, um dem dort Beschriebenen noch größeres Gewicht zu verleihen.

Daneben stößt man bei der Lektüre des Werkes auf Gattungselemente spätantiker medizinischer und astrologischer Literatur, wenn es um die Funktion der Dämonen für menschliche Krankheiten und Unpässlichkeiten oder um die Verbindung der Dämonen zu astralen Größen geht; dennoch kann von einer Gattungszuschreibung zu einer medizinischen oder astrologischen Abhandlung keine Rede sein, hierzu sind die entsprechenden Elemente zu wenig ausgeprägt.

Am ehesten wird man das TestSal als volkstümliche romanhafte Erzählung ansprechen können: In eine Rahmenhandlung (Tempelbau) sind mehrere Subhandlungen integriert (Der Lieblingssklave und Ornias, Kap. 1-3; die Befragungskapitel 4-18; die „Königin des Südens“, 19-21 und andere) und dabei weitere Kleingattungen aufgenommen, beispielsweise Reiseerzählungen (10,5-7; 22,13-16) oder Briefzitate (22,1-5). Auch die inhaltliche Nähe zum Alexanderroman (Einzelheiten bei Busch 38f) weisen in die Richtung der romanhaften Erzählung.

2.4. Theologie

Mit der Lektüre des TestSal wird dem Leser die Gewissheit vermittelt, dass sämtliche Dämonen – die von biblischer Tradition bekannten (Beelzebul, Asmodeus) sowie bislang unbekannte – durch den weisen König Salomo durchschaut und kontrolliert sind. Dies hat vor allem soteriologische Aspekte: Die Kontingenzen der Welt, Schädigungen, Unfälle, Krankheiten sind in ihren Ursachen entdeckt, zudem können sie durch die exorzistische Kraft Salomos bereinigt und kontrolliert werden. Diese Kraft ist aller Kritik enthoben, schließlich ist sie durch den vom Erzengel Michael überreichten Ring klar an den Gott Israels gebunden; zudem erlebt man Salomo immer wieder devot zu diesem Gott betend während er den Ring nutzt.

Auf der Ebene der reinen Handlung wird diese Botschaft erzählerisch vermittelt, doch sind zusätzlich folgende Tiefendimensionen zu berücksichtigen.

1. Liest man das TestSal als spätantike christliche Schrift, so dürfte die Salomo-Christus-Typologie vorausgesetzt sein, also die typologische Lesart der atl. Texte, nach der sich in der Figur Salomos eigentlich Christus verbirgt („Christus ist der wahre Salomo“, so Ende des 4. Jh. Pseudo-Athanasius in seiner Auslegung von Ps 71, Migne PG 27, 324A). Mit diesem Hintergrund rückt die Überwindung der Dämonen durch Salomo thematisch eng in die Nähe der Überwindung der feindlichen Mächte durch Christus, wie wir sie bei der Evangelientradition in den Exorzismen Jesu und bei Paulus etwa in 1Kor 15,24 kennen.

2. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Hauptthema des TestSal, die Überwindung der Dämonen, im antiken Kontext einen anderen Stellenwert hat als bei uns Heutigen, die wir dies mit dem Märchenhaften, Fiktionalen verbinden. Die Dämonologie ist, insbesondere in der platonischen Tradition in der Wirkungsgeschichte von Platos Symposion (202E), Teil des gelehrten Diskurses, die erhaltenen mittelplatonischen Dämonologien (etwa Plutarchs De Genio Socratis oder des Apuleius‘ De deo Socratis) verstehen sich als ernstgemeinte Spezialstudien zur Kosmologie und werden als solche in der Spätantike auch intensiv christlich rezipiert, so etwa Apuleius‘ oben genanntes Werk in Augustins De civitate dei, Buch 8f. Eine Abhandlung über Dämonen gehört also in diesem Kontext nicht in die „Science-Fiction-Abteilung“, sondern in den Bereich „wissenschaftliche Fachliteratur“.

3. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei den ersten Rezipienten dieses Werkes zum Thema „Exorzismus“ eine andere Konnotation vorauszusetzen ist als heute in der Prägung der Aufklärung: Im Zuge der Vorbereitung auf die Taufe, die man in der alten Kirche in der Regel als Erwachsener erlebte, dürfte bei jedem Christen ein „Taufexorzismus“ ausgeübt worden sein. Die frühen christlichen Rezipienten des Werkes hatten also, so können wir voraussetzen, eine Reinigung von widrigen Mächten und eine anschließende Versiegelung durch Chrisamöl selbst erlebt (man kann dies bei Hippolyt in TA 20f. in nuce nachlesen), die erzählte Geschichte war demnach für die frühe Leserschaft auch biographisch plausibel.

Insofern entfaltet die Erzählung ein Themenfeld, das theologisch als spezielle Art christlicher Soteriologie beschrieben werden kann, die einerseits im zeitgenössischen wissenschaftlichen Diskurs (Dämonologien) und andererseits in gelebter Glaubenspraxis (Tauferxorzismus) plausibel ist.

Literaturverzeichnis

Literatur-Recherche Index Theologicus

Literatur-Recherche Biblische Bibliographie Lausanne

1. Textausgaben und Übersetzungen

  • Busch, Peter, Das Testament Salomos. Die älteste christliche Dämonologie, kommentiert und in deutscher Erstübersetzung, Berlin/New York 2006
  • Crum, Walter, Catalogue of the Coptic manuscripts in the collection of the John Rylands Library, Manchester, Manchester 1909
  • Delatte, Armand, Anecdota Atheniensia. Bd. 1: Textes grecs inédits relatifs à l'histoire des religions, Liège/Paris 1927
  • Duling, Dennis, Testament of Solomon, in: Charlesworth, J. H. (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha. Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, New York u.a. 1983, 935-988
  • Istrin, V., Grieceski spiski zabesania Solomona (Griechische Manuskripte des Testaments Salomos), Odessa 1898
  • McCown, Chester, The Testament of Solomon, Leipzig 1922
  • Monferrer-Sala, Juan, Testamentum Salomonis Arabicum. Edición, tradicción y estudio, Cordoba 2006

2. Weitere Literatur

  • Graf, Georg, Geschichte der christlichen arabischen Literatur. Bd. 1, Vatikanstadt 1944.
  • Klutz, Todd, Rewriting the Testament of Solomon. Tradition, Conflict and Identity in a Late Antique Pseudepigraphon, London 2005
  • Preisendanz, Karl, Ein Wiener Papyrusfragment zum Testamentum Salomonis, in: EOS 48 (1956), 161-169
  • Schwarz, Sarah, Reconsidering the Testament of Solomon, in: JSP 16/3 (2007), 203-237

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